Mittwoch, 27. Januar 2016

Deutsche Zensur eines Hitchcock-Films


Gestern Abend habe ich im Internet die deutsche Fassung des Films „Notorious“ gesehen. Der deutsche Titel lautete: „Berüchtigt“. Der Film wurde 1946 vom Alfred Hitchcock gedreht. Sowohl auf der deutschen Seite von Wikipedia als auch auf der englischen stand, dass sich die Geschichte um eine Gruppe von deutschen Nazis dreht, die nach dem zweiten Weltkrieg nach Brasilien geflüchtet sind und dort daran arbeiten, mit Uranpulver neue Waffen zu bauen. In der deutschen Fassung des Films war aber davon nichts zu merken und die Gruppe wurde als eine Bande von Rauschgifthändlern dargestellt.

Zum Glück hatte ich keinen Alkohol getrunken, sonst hätte ich gedacht, ich wäre betrunken und hätte viele Einzelheiten verpasst. Ich habe mir einige Schlüsselszenen des Films nochmals angeschaut und zum Schluss habe ich mich entschlossen, diese mit der Originalfassung auf Englisch zu vergleichen. Ich konnte es nicht glauben: in der deutschen Fassung hat man bei der Synchronisation einfach die ganze Geschichte geändert. Dann habe ich mich wieder zu Wikipedia gewendet und glücklicherweise dort diesen Text gefunden:


«Der Film wurde in Deutschland erstmals am 21. September 1951 unter dem Titel Weißes Gift aufgeführt. So kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wollte der Verleih den deutschen Zuschauern keine Nazi-Geschichte zumuten, und in der Synchronisation wurde aus der Uran- eine Rauschgiftgeschichte. Um zu verschleiern, dass es sich bei den Rauschgifthändlern um Deutsche handelt, wurden etliche Rollennamen abgewandelt oder verändert (siehe Tabelle unten). Erst in der Wiederaufführung am 11. August 1969 (der Film wurde im Auftrag des ZDF als Geburtstagsgeschenk für Hitchcock neu synchronisiert und unter dem Titel Berüchtigt ausgestrahlt) bekamen auch deutsche Zuschauer die Originalgeschichte zu sehen und hören.

Selbst in dieser Version fehlt jedoch jede Spur der I.G. Farben, die den eigentlichen Drahtzieher hinter den Bösewichten darstellt. Man ging sogar so weit, eine Einstellung aus dem Dialog Ingrid Bergmans und Cary Grants, in der diese namentlich erwähnt wird, herauszuschneiden. Während man in der damaligen Fernsehfassung diesen Schnitt noch visuell bemerkt, fehlt von dieser Einstellung in heutigen Fassungen (beispielsweise auf der DVD-Version) jede Spur (während der komplette Dialog in der französischen Fassung unverfälscht zu hören ist). An einer Stelle fällt jedoch das Wort „deutsche Farbenindustrie“.

Bis heute existiert keine originalgetreue deutsche Fassung des Films.»
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Mittwoch, 20. Januar 2016

Wann integriert sich Deutschland in die westliche Wertegemeinschaft?


Dass viele Deutsche es beklagen, im Zweiten Weltkrieg von Alliierten bombardiert worden zu sein, fand ich immer befremdlich und traurig zugleich. Schließlich könnte man die Nazis nicht besiegen, ohne Deutschland großflächig zu bombardieren. Die Klage darüber zeigt, wie wenig sich die Deutschen mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt haben und wie wenig sie sich ihrer kollektiven Schuld bewusst sind. Aussagen und Beiträge, die vom „deutschen Leid“ während des Zweiten Weltkriegs handeln, sind unverschämt, da sie Verbrechen des Nazi-Deutschlands relativieren und Opfer des Nazi-Regimes und die Alliierten als Verbrecher darstellen.

Neulich spricht man in fast allen politischen Lagern auch vom Leid des deutschen Volkes aufgrund ihrer Fluchterfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit sind die Vertriebenen gemeint. Die Bundesregierung schreibt auf ihre Webseite: „Wir Deutschen wissen aufgrund unserer Vergangenheit, welches menschliche Leid hinter jedem einzelnen Flüchtlingsschicksal steckt.“ Oder: In Köln findet ein Projekt statt, an dem Flüchtlinge und „Menschen, die vor 70 Jahren die Flucht erlebt hatten“ (also Vertriebene) teilnehmen.

Jeder halbgebildeter Deutscher weiß, dass die große Mehrheit der Vertriebenen wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Nazis nach dem Krieg aus Osteuropa vertrieben wurde. Die meisten von ihnen halfen dem NS-Regime dabei, seine Gewaltherrschaft zu erweitern, andere Länder zu besetzen und Millionen von Menschen auf bestialische Weise zu ermorden. 

Die Darstellung von Vertriebenen als Fluchtopfer ist neben deutschem Antiamerikanismus, Anti-Israel-Haltung und Antikapitalismus ein weiterer Fall von nicht-gelungener Integration Deutschlands in die westliche Wertegemeinschaft.

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Samstag, 16. Januar 2016