Es gibt nicht
wenige, die glauben, die Außenpolitik westlicher Staaten basiere auf
„Doppelmoral“, da diese Staaten andere Länder nicht gleichbehandeln. Als
Beispiel wird oft Saudi-Arabien aufgeführt: „Warum setzt man den Staat X unter
Druck, obwohl es in Saudi-Arabien viel schlimmer zugeht?!“ Obwohl ich solche
Kritiken für berechtigt halte, bin ich der Meinung, die Forderung nach einer
Gleichbehandlung aller Staaten sei unrealistisch und idealistisch.
Ein Beispiel
soll dies verdeutlichen: Im Iran gibt es tausende Gefangene, die der Folter,
Vergewaltigung, Hinrichtung, Blendung, Steinigung oder das Abhacken ihres Beins
oder Arms ausgesetzt sind. Die Oppositionellen und die Menschenrechtler können
sich selbstverständlich nicht für jeden einzelnen Fall individuell einsetzen,
also müssen sie sich damit abfinden, nur für einige dieser Menschen Kampagnen
zu führen. Alle anderen Fälle können nicht individuell behandelt werden. Durch
das Engagement für die Menschenrechte wird aber indirekt auch auf die Lage
anderer Gefangenen aufmerksam gemacht.
Genau so sieht
es auf der Weltebene aus. Außer einigen europäischen Ländern, der USA, Kanada,
Australien, etc. herrschen überall auf der Welt katastrophale Zustände - von
Afrika und Asien bis Zentral- und Südamerika. Es ist nicht nur aus
Aufwandsgründen unmöglich, gegen alle Unrechtsstaaten vorzugehen, sondern auch
aus politischen Gründen. Wenn der Westen alle anderen Staaten der Welt wegen
Missachtung der Menschenrechte unter Druck setzen würde, seine diplomatische
Beziehungen zu ihnen abbrechen würde, usw., dann würde er ganz alleine dastehen
und hätte sogar keine Chance zum Überleben. Also kann er nur unter bestimmten
Voraussetzungen bestimmte Staaten unter Druck setzen.
Ich bestreite
nicht, dass der Westen manchmal auch Mist baut, aber es ist schwer zu
bestreiten, dass die westlichen Staaten die einzigen sind, die sich global für
Menschenrechte und Freiheit einsetzen. Vielen mag dieser Einsatz zu dürftig
erscheinen, aber welch anderer Staat interessiert sich im Geringsten für die
Demokratisierung der Weltgemeinschaft und die Einhaltung der Menschenrechte?
April 2012
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