Es ist
erstaunlich, wie viele Menschen dazu neigen, Dinge zu pauschalisieren. Man hört
tagtäglich Aussagen wie „Männer denken nur an Sex“, „Frauen kümmern sich stark
um ihr Aussehen“, „Türken essen kein Schweinefleisch“, „Araber trinken kein
Alkohol“, usw. Die Neigung zur Verallgemeinerung ist in fast allen
Lebensbereichen präsent. Sie gefährdet nicht nur das soziale Miteinander,
sondern stellt auch ernste politische Gefahren dar.
Das
Nicht-Differenzieren in der Politik führt oft zur Verharmlosung von grausamen
Verbrechen und von Bedrohungen, die von bestimmten Ideologien oder
Gruppierungen ausgehen. Den Nationalsozialismus mit Kommunismus gleichzusetzen,
verharmlost nur die Verbrechen des ersteren, und Rechtsradikalismus mit
Linksradikalismus auf eine Stufe zu stellen, verharmlost die Bedrohung von
rechtsradikalem Gedankengut für die Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.
Noch
gefährlicher ist es, aus der Tatsache, dass der Westen einige Diktatoren in
mancher Hinsicht „unterstützt“, zu schlussfolgern, beide Lager seien aus
demselben Holz geschnitten, ohne dabei die Rahmenbedingungen in Betracht zu
ziehen. Diese Betrachtungsweise resultiert in einem Verlust an Vertrauen in
Demokratien und ihre politische Institutionen. Obwohl manchmal politische
Systeme oder Regierungen Ähnlichkeiten mit einander aufweisen, darf man nicht
vergessen, dass es sogar zwischen Diktatoren Unterschiede gibt. Diktatoren wie
Ben Ali (Tunesien), der Schah vom Iran oder Honecker verabschieden sich ohne
großes Blutvergießen von der Macht, während Diktatoren wie Gaddafi das „eigene“
Volk bombardieren lassen.
Durch das
Nicht-Differenzieren wird in den westlichen Ländern unter anderem die
Auffassung bestärkt, alle politischen Parteien seien gleich und es gebe keine
bemerkenswerten Unterschiede zwischen ihnen. Daraus folgt unweigerlich der
Glaube, Wahlen würden nichts verändern. Das Phänomen Wutbürgertum könnte man
als das Resultat der vielen „Missverständnisse“ betrachten, die die Bürger von
politischer Beteiligung fernhalten und das Fass zum Explodieren bringen.
April 2012
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