Montag, 15. Juni 2015

Führt die Pauschalisierungsneigung zur Politikverdrossenheit?



Es ist erstaunlich, wie viele Menschen dazu neigen, Dinge zu pauschalisieren. Man hört tagtäglich Aussagen wie „Männer denken nur an Sex“, „Frauen kümmern sich stark um ihr Aussehen“, „Türken essen kein Schweinefleisch“, „Araber trinken kein Alkohol“, usw. Die Neigung zur Verallgemeinerung ist in fast allen Lebensbereichen präsent. Sie gefährdet nicht nur das soziale Miteinander, sondern stellt auch ernste politische Gefahren dar.

Das Nicht-Differenzieren in der Politik führt oft zur Verharmlosung von grausamen Verbrechen und von Bedrohungen, die von bestimmten Ideologien oder Gruppierungen ausgehen. Den Nationalsozialismus mit Kommunismus gleichzusetzen, verharmlost nur die Verbrechen des ersteren, und Rechtsradikalismus mit Linksradikalismus auf eine Stufe zu stellen, verharmlost die Bedrohung von rechtsradikalem Gedankengut für die Demokratie, Freiheit und Menschenrechte.

Noch gefährlicher ist es, aus der Tatsache, dass der Westen einige Diktatoren in mancher Hinsicht „unterstützt“, zu schlussfolgern, beide Lager seien aus demselben Holz geschnitten, ohne dabei die Rahmenbedingungen in Betracht zu ziehen. Diese Betrachtungsweise resultiert in einem Verlust an Vertrauen in Demokratien und ihre politische Institutionen. Obwohl manchmal politische Systeme oder Regierungen Ähnlichkeiten mit einander aufweisen, darf man nicht vergessen, dass es sogar zwischen Diktatoren Unterschiede gibt. Diktatoren wie Ben Ali (Tunesien), der Schah vom Iran oder Honecker verabschieden sich ohne großes Blutvergießen von der Macht, während Diktatoren wie Gaddafi das „eigene“ Volk bombardieren lassen.

Durch das Nicht-Differenzieren wird in den westlichen Ländern unter anderem die Auffassung bestärkt, alle politischen Parteien seien gleich und es gebe keine bemerkenswerten Unterschiede zwischen ihnen. Daraus folgt unweigerlich der Glaube, Wahlen würden nichts verändern. Das Phänomen Wutbürgertum könnte man als das Resultat der vielen „Missverständnisse“ betrachten, die die Bürger von politischer Beteiligung fernhalten und das Fass zum Explodieren bringen.


April 2012

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