Sonntag, 14. Juni 2015

Mein inneres Ich



Mein inneres Ich hat weder einen Namen
noch ein Geschlecht,
weder ein bestimmtes Alter
noch eine Nationalität,
und weiß sogar nicht aus welcher Stadt es stammt.

Mein inneres Ich ist keine Tochter,
Mutter oder Schwester,
keine Gattin, Freundin,
oder Kumpanin;
keine Schülerin, Studentin
oder Arbeitnehmerin.

Mein inneres Ich
glaubt nicht an mich.
Und jeden Morgen, wenn es aufsteht,
hat es mich vergessen
und erkennt mich nicht wieder.

Mein inneres Ich ist wach,
wenn ich betrunken bin,
und schläft, wenn ich wach bin.
Es sehnt sich nach Leuten,
wenn ich allein sein will,
und will allein sein,
wenn ich unter Leuten bin.
Es weint, wenn ich lache,
lacht, wenn ich schreie,
und stirbt, wenn ich weine.

Mein inneres Ich bekämpft mich
und lässt mich nicht in Ruhe.
Wenn ich gleichgültig sein will,
empört es sich,
und wenn ich schweigen will,
wird es laut.
Mein inneres Ich
will mich anders.


Köln, 1996



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