Donnerstag, 25. Juni 2015

Sex-Affären und die scheinheilige Öffentlichkeit



Die Karriere eines Politikers oder Staatsvertreters endet unweigerlich, wenn es herauskommt, dass er eine Sex-Affäre hat. Dies scheint so selbstverständlich, dass keiner sich darum bemüht, den Rücktritt bzw. die Versetzung o.Ä. zu begründen. Staatsvertreter haben so zu leben, wie es die Öffentlichkeit von ihnen erwartet. Sie sollen in einer festen Beziehung sein, dürfen ihre Lebenspartner nicht so oft wechseln und keine Sex- oder Liebesaffären haben. Das Paradoxe besteht darin, dass in den westlichen Kulturen gleichzeitig Werte wie individuelle Freiheit und individuelle Emanzipation hochgeschätzt werden.

Man könnte sagen, die Öffentlichkeit besitzt gegenüber Politikern Doppelmoral. Es gibt nicht viele Menschen in unserer Gesellschaft, die es „skandalös“ finden, wenn eine Ehe geschieden wird, wenn jemand zum wiederholten Mal den Partner wechselt oder wenn jemand, der in keiner festen Beziehung ist, One-Night-Stands hat. Bei Staatsvertretern aber sind alle diese Geschehnisse unerwünscht. Man erwartet von ihnen, bis zu ihrem Tod in einer festen Beziehung auszuharren und ihre Bedürfnisse und Wünsche bezüglich ihres Liebes- oder Sexuallebens zu unterdrücken.

Verheiratete Staatsvertreter, die eine Sex-Affäre haben, werden prompt als Sexmonster abgestempelt. An näheren Umständen des Vorfalls ist keiner interessiert. Das Urteil fällt, ohne Genaues über die Beziehung der Ehepartner und über die Sex-Affäre zu wissen. Handelt es sich bei der angeblichen „Seitensprung“ um „Betrug“ oder war der Partner darüber informiert und sogar damit einverstanden? Wurde der Partner oder die dritte Person von dem „Beschuldigten“ in irgendeiner Weise ausgenutzt oder gar ausgebeutet? Führen die Eheleute eine gesunde Beziehung? Wie stehen sie überhaupt zueinander? Und viele weitere Fragen, die beim Fällen eines Urteils bei einer solchen Begebenheit wichtig sind und an den keiner interessiert ist.

Auch die Medien zeigen sich in solchen Fällen wenig informationsbegierig und schüren mit ihren Beiträgen die negativen Emotionen der Öffentlichkeit gegenüber der betreffenden Person. Ein deutliches Beispiel hierfür liefert die wegen der Petraeus-Affäre auf msn.de erschienene Bildergalerie. In ihr werden Leute wie Petraeus und Bill Clinton in einem Zug mit Vergewaltigern und Kinderschändern wie Berlusconi und Moshe Katzav genannt und pauschal der „Untreue“ und Zügellosigkeit beschuldigt.

Es scheint, der Geist der Aufklärung ist noch vielen fremd.


PS: In meinen Notizen wende ich oft die männliche Form auf alle Personen an, weil mir das „Gendern“ sehr schwer fällt und dadurch meine Notizen noch weniger fließend wirken.



November 2012

 .

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