In seinem Essay
„Wege aus dem Schlamassel“ malt Pascal Bruckner, französischer Publizist, eine
düstere Zukunft für Europa. Es ist ein schöner Text aus literarischer Sicht,
der inhaltlich kaum etwas zu bieten hat. Bruckners Essay ist voller
Widersprüche und unbegründeten Behauptungen. Im Mittelpunkt seiner Kritik
stehen Umweltschützer, die er ideologisch mit Nazis vergleicht.
Europa werde
vom Absturz bedroht und bald würden andere Nationen seinen Platz in der
Weltpolitik einnehmen, so Bruckner. Bei der Äußerung seiner Enttäuschung über
das Ende der „westlichen Vorherrschaft über den Planeten“ schreckt er auch vor
rassistischen Aussagen nicht zurück: „Wir sind nicht mehr die ersten und nicht
mehr die besten. Wir treten in die Ära der braunen, gelben, schwarzen Menschen
ein. Die Zeit des weißen Mannes ist vorüber oder zumindest relativiert“.
Bruckners
Enttäuschung über die angebliche Niederlage Europas verstellt seinen Blick auf
die Wirklichkeit. Er verkennt Europas Errungenschaften in den letzten
Jahrzehnten und sieht in fast allem Zeitgenössisch-Europäischen nur Negatives.
Gleichzeitig versucht er die Situation anderer Länder schönzureden und sie als
Vorbilder darzustellen. Chinesen, Inder, Brasilianer und Südafrikaner seien auf
dem Erfolgskurs, trotzdem stellen sie den Kapitalismus nicht in Frage, da sie
wüssten, dass Kapitalismus auch gerecht sein kann, so Bruckners Argumentation
gegenüber europäischen Kapitalismus-Kritikern.
Man braucht
nicht Intellektueller sein, um zu wissen, dass in all den genannten Länder
katastrophale Zustände herrschen und die breiten Massen der Menschen nicht viel
von dem wirtschaftlichen „Fortschritt“ mitbekommen. Die Kritik an den
europäischen Kapitalismus und die europäische Demokratie mag diesen Menschen
gar lächerlich vorkommen, da europäische Zustände für sie einen Traum
darstellen. Ein Europäer hat aber selbstverständlich andere Erwartungen von dem
politischen und wirtschaftlichen System, in dem er lebt, als ein Inder oder
Chinese. Die Bedingungen, unter denen Menschen leben, bestimmen ihre
Erwartungen und Maßstäbe.
Bruckners
Besessenheit vom Kapitalismus verhindert ihn daran, auch andere Ideen des
Liberalismus zu schätzen. Dass für ihn die Marktwirtschaft eine viel wichtigere
Rolle spielt als Demokratie und Menschenrechte, wird unter anderem in diesen
Sätzen deutlich, in denen er die westlichen Demokratien mit den asiatischen,
südamerikanischen und afrikanischen gleichsetzt: „Die westlichen (aber auch
asiatischen, südamerikanischen, afrikanischen) Demokratien müssen ihre
Verbindungen stärken und Lasten gemeinsam tragen. Sie sind im Besitz eines
unendlich verderblichen und fragilen Schatzes: der Menschenrechte“.
Ich weiß nicht,
von welchen asiatischen, südamerikanischen und afrikanischen Staaten Bruckner
spricht, mir ist jedenfalls keiner bekannt, der sich der Demokratie und den
Menschenrechten verpflichtet fühlt. Den „Entzug der Staatsbürgerschaft für
Bürger, die ihre Steuern nicht in der Heimat zahlen“ als eine Lösungsstrategie
„hellsichtiger Analytiker“ zu bejahen, zeugt auch von Bruckners mangelhaftem
Demokratie- und Menschenrechtsverständnis.
Die Begierde
nach Konsum und Komfort ist bei Bruckner so stark ausgeprägt, dass er jeden
ökologischen Versuch, wie das Recycling, die Mülltrennung oder Reduzierung des
Strom- und Wasserverbrauchs, als Unsinn und „neurotischen Geiz“ betrachtet. Er
stellt Umweltschützer auf eine Stufe mit den Nazis und schreibt: „Die Sorge um
den Planeten reaktiviert einen alten totalitären Traum von Kontrolle bis hin in
unsere intimsten Gewohnheiten: wie wir uns waschen, anziehen, heizen“.
Doch das alles
ist nicht genug. Herr Bruckner gibt auch noch Ratschläge, wie man dem
Islam-Problem entgegentreten sollte: „Zum Glück ist die Religion des Propheten
in Sunniten und Schiiten aufgespalten, und man sollte nicht müde werden, dieses
Ursprungsschisma zu vertiefen. Man könnte über den Islam sagen, was François
Mauriac einst über den deutschen Nachbarn sagte: Man liebt ihn so sehr, dass
man gerne mindestens zwei davon hat“.
Eine
Auseinandersetzung zwischen Schiismus und Sunnismus würde nur dann Früchte
tragen, wenn einer der beiden reformistische Ansätze oder zumindest eine
offenere Grundeinstellung vertreten würde. Das ist aber nicht der Fall.
Schiismus und Sunnismus repräsentieren beide eine strenge Auslegung des Islams
und in den beiden Lagern haben zurzeit die Extremisten die Oberhand. Eine
ernste Auseinandersetzung zwischen diesen islamischen Glaubensrichtungen würde
nur zum Blutvergießen führen und die Extremisten stärken.
Ganze achtzehn
Seiten ist Bruckners Essay lang. Ihn zu lesen, bringt nicht viel, außer dass
man sich ein Bild von der (europäischen) Intellektuellenszene machen kann!
April 2012
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