Hasan, ein
8-Klässler, erkundigt sich „im Berufsinformationszentrum nach
Ausbildungsberufen. Ich bin seine Berufsberaterin. Hasan ist der Wortführer der
Klasse. Die Kids hängen an seinen Lippen. Hasan flucht auf Türkisch über die
hiesige Mehrheitsgesellschaft und boxt mit der Faust auf den Tisch. Reflexartig
ziehe ich am rechten Ohr des Jungen und flüstere ihm in der Muttersprache
seiner Eltern etwas zu. Er nickt kurz und verstummt. Offensichtlich habe ich
instinktiv die richtige Ansprache gewählt“.
Das ist eine
Passage aus einem vorwärts-„Zwischenruf“ von Dilan T.
Ceylan (angestellt im gehobenen Verwaltungsdienst), die vorschlägt, mit
Migranten die „richtige“ Sprache zu sprechen und sie „angemessen“ zu behandeln,
damit sie zur Integration gezwungen werden.
Es ist bestimmt
dreist von mir, zu behaupten, Frau Ceylan sollte sich erst selber richtig
„integrieren“. Denn eine der wichtigsten Errungenschaften der westlichen Kultur
besteht darin, Kinder als vollwertige Menschen zu betrachten und deren Rechte
anzuerkennen. Einen Menschen am Ohr zu ziehen, wird in westeuropäischen
Kulturen als Anwendung physischer Gewalt eingestuft. Es könnte auch mir
passieren, dass ich die Kontrolle verliere und eine solche Straftat begehe,
aber so etwas als eine „Erziehungsmethode“ zu propagieren, finde ich recht
gefährlich.
Da Frau Ceylan
an Integrationsthemen interessiert ist, frage ich mich, wie Migranten lernen
sollten, die Rechte ihrer (und anderer) Kinder zu respektieren, wenn sogar in
Behörden Angestellte und Beamte Migrantenkinder physisch misshandeln würden?
Und würde uns dadurch nicht eine neue Ära institutioneller (physischer) Gewalt
bevorstehen?
September 2012
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