Donnerstag, 25. Juni 2015

Integration mit Ohrfeige



Hasan, ein 8-Klässler, erkundigt sich „im Berufsinformationszentrum nach Ausbildungsberufen. Ich bin seine Berufsberaterin. Hasan ist der Wortführer der Klasse. Die Kids hängen an seinen Lippen. Hasan flucht auf Türkisch über die hiesige Mehrheitsgesellschaft und boxt mit der Faust auf den Tisch. Reflexartig ziehe ich am rechten Ohr des Jungen und flüstere ihm in der Muttersprache seiner Eltern etwas zu. Er nickt kurz und verstummt. Offensichtlich habe ich instinktiv die richtige Ansprache gewählt“.

Das ist eine Passage aus einem vorwärts-„Zwischenruf“ von Dilan T. Ceylan (angestellt im gehobenen Verwaltungsdienst), die vorschlägt, mit Migranten die „richtige“ Sprache zu sprechen und sie „angemessen“ zu behandeln, damit sie zur Integration gezwungen werden. 

Es ist bestimmt dreist von mir, zu behaupten, Frau Ceylan sollte sich erst selber richtig „integrieren“. Denn eine der wichtigsten Errungenschaften der westlichen Kultur besteht darin, Kinder als vollwertige Menschen zu betrachten und deren Rechte anzuerkennen. Einen Menschen am Ohr zu ziehen, wird in westeuropäischen Kulturen als Anwendung physischer Gewalt eingestuft. Es könnte auch mir passieren, dass ich die Kontrolle verliere und eine solche Straftat begehe, aber so etwas als eine „Erziehungsmethode“ zu propagieren, finde ich recht gefährlich.

Da Frau Ceylan an Integrationsthemen interessiert ist, frage ich mich, wie Migranten lernen sollten, die Rechte ihrer (und anderer) Kinder zu respektieren, wenn sogar in Behörden Angestellte und Beamte Migrantenkinder physisch misshandeln würden? Und würde uns dadurch nicht eine neue Ära institutioneller (physischer) Gewalt bevorstehen?


September 2012

 .

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