Ich lese zurzeit
das Buch „The Better Angels of Our Nature – Why violence has declined“ von
Steven Pinker. Ein interessantes und sehr informatives Buch, das die These
vertritt, Gewalt habe im Laufe der Menschheitsgeschichte ständig abgenommen.
Ich werde bestimmt noch ein paar Wochen - wenn nicht Monate - dafür brauchen,
die 700 Seiten zu
Nicht die
Statistiken oder die historischen Fakten machen das Buch interessant und
lesenswert, sondern Steven Pinkers Analyse und seine Aneinanderreihung der
Fakten, die es ihm ermöglichen, zu objektiven Schlussfolgerungen zu gelangen.
Seine einfache Sprache macht das Werk auch für Laien verständlich, obwohl er
sehr komplexe Sachverhalte aus vielen Bereichen, wie z.B. Soziologie,
Kriminologie, Psychologie, Politik und internationale Beziehungen behandelt.
Im dritten
Kapitel „Der Zivilisationsprozess“ (The Civilizing Process) liefert er
wertvolle Fakten über die Abnahme der Gewalt in West-Europa, erläutert die Zustände
und Zusammenhänge, die dazu geführt haben und stellt einige „Dogmen“ (dogmas)
über die Verbreitung der Gewalt unter bestimmten Bevölkerungsgruppen in Frage,
z.B.
- dass die
Gewalt wegen mangelhaften Moral- und Gerechtigkeitsvorstellungen in Erscheinung
tritt;
- dass die
Ursache der Gewalt in den übertriebenen Moral- und Gerechtigkeitsvorstellungen
liegt;
- dass
Gewaltanwendung eine Art Krankheit sei;
- dass Gewalt
eine Folge der Armut sei;
- dass die Wut
gegen die gesellschaftlichen Missstände in Form von Gewalt zum Ausdruck kommt;
etc.
Pinkers Analyse
ist ziemlich gründlich und folgerichtig. Näheres dazu werde ich nicht verraten,
um dem Leser den „Spaß“ beim Lesen seines Buchs nicht zu verderben. Eines will
ich aber doch hier loswerden. Pinker widerspricht die These, Gewalt sei eine
Art Krankheit, mit der Begründung, dass eine kranke Person unter ihrer
Krankheit leidet, eine gewalttätige Person würde aber nicht wegen ihrer
Gewalttätigkeit leiden. Er argumentiert, dass die meisten gewalttätigen
Personen darauf beharren, psychisch gesund zu sein und kein Leiden wegen ihren
Gewalttaten zu spüren.
Ich weiß nicht,
ob Gewalttätigkeit eine Art Krankheit ist oder nicht. Aus persönlicher
Erfahrung weiß ich aber, dass viele gewalttätige Personen unter ihrer
Gewalttätigkeit leiden. Erstens haben die meisten dieser Personen starke
Schuldgefühle oder entwickeln diese mit der Zeit. Auch wenn in bestimmten
geschichtlichen Perioden Tötung, physische und psychische Gewalt „normal“
waren, haben die mir bekannten Religionen Gewalt als eine Sünde missbilligt
(vielleicht „nicht immer, aber immer öfter“). Selbstjustiz würde von keiner mir
bekannten Religion je gepredigt.
Zweitens leiden
die meisten aggressiven Personen wegen ihrer Aggressivität sowohl psychisch als
auch physisch sehr stark. Wenn man andere mit seinen physischen oder
psychischen Attacken bombardiert, wird man auch selbst zurückbombardiert –
physisch oder psychisch; früher oder später. Auch medizinisch gesehen, hat die
Aggression viele physische Nebenwirkungen, wie z.B. hoher Blutdruck und viele
Krankheiten, die durch den starken Drogenkonsum (Alkohol, Zigaretten, Opiate,
Beruhigungstabletten, etc.) entstehen, den viele aggressive Personen zur
Beruhigung brauchen.
Wenn man
Krankheit als einen leidvollen Zustand des „Kranken“ definiert, dann werden
Aggression und Gewalttätigkeit auf jeden Fall darunter fallen.
August 2013
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