Nicht nur im
Ausland, auch im Iran selbst glauben viele, die Islamische Republik Iran sei
reformwillig und reformfähig. Unzählige Artikel, Bücher, Dokumentar- und
Spielfilme versuchen einem weiszumachen, in den letzten 34 Jahren seit der
islamischen Revolution habe sich vieles zum Positiven gewendet und die Republik
sei auf dem Reformweg. Hier einige Fakten, die zeigen, wie unsinnig solche
Behauptungen sind:
Frauen
Was den
islamischen „Kleidungsvorschriften“ für Frauen angeht, darunter die
Verschleierung (Hijab), ist man seit Jahren weniger streng. Trotzdem läuft der
Propagandakrieg gegen Frauen, die sich in der Öffentlichkeit nicht „islamisch“
genug zeigen, massiv weiter. Überall hängen große Plakate, die Frauen davor
erschrecken sollen, sich den westlichen Kleidungsstil anzueignen. Man gönnt
ihnen zwar kleine „Pausen“, aber keine Frau kann sich im Iran sicher sein, dass
sie bald – vielleicht heute, vielleicht in ein paar Monaten – wegen ihrer
Kleidung, Frisur und Schminke nicht verhaftet, gepeitscht und vergewaltigt
wird.
Zwar gibt es
mittlerweile auch dort Personen oder Organisationen, die für Frauenrechte
kämpfen, aber die meisten Frauenrechtler müssen sich um ihr Leben fürchten. Sogar
moderate Aktivisten wie die Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, die sich im Iran
für „islamische Menschenrechte“ (als eine Alternative zu den UN-
Menschenrechten) stark gemacht hatte, werden nicht geduldet und sehen sich
gezwungen, das Land zu verlassen.
Zwar sind die
Kopftücher bunter geworden und man darf ein paar Zentimeter Haare zeigen, aber
die frauenfeindlichen Gesetze haben sich nicht geändert und sind zum Teil noch
strenger geworden - z.B. ist die rechtliche Position der Frau in der Familie
weiter geschwächt worden. Als weitere Beispiele seien die Geschlechtertrennung
in den Bussen und Universitäten und das Studienverbot von einigen Fächern für
Frauen zu nennen, in den es bis vor kurzem keine geschlechtsspezifischen
Beschränkungen gab. Das letztere ist damit begründet worden, dass der
Frauenanteil in bestimmten Studienfächer zu hoch sei. Interessanterweise ist
das Studieren von einigen Studienfächer für Frauen grundsätzlich verboten.
Junge Menschen
Personen unter
25 Jahren machen einen Großteil der iranischen Bevölkerung aus. Das Regime hat
ziemlich früh erkannt, es müsse junge Iraner ruhigstellen, um zu überleben. Es
scheint, junge Iraner hätten heutzutage mehr Auswahl, was Musik, Filme,
TV-Shows und Mode angeht. Die Zensur ist aber genau so extrem wie früher und
sie dürfen nicht das lesen, hören und schauen, was sie wollen. Die Zensur hat
sich nicht gemindert, sie hat sich verlagert. Erst vor kurzem wurde gegen den
in Deutschland lebenden Rapper, Shahin Najafi, ein Tötungsbefehl (Fatwa)
ausgesprochen.
Ein Studium an
der Universität ist nur dann möglich, wenn man politisch als konform eingestuft
wird. Viele Studenten dürfen wegen ihren politischen Aktivitäten ihr Studium
für eine längere Zeit nicht fortsetzen oder müssen es zwangsweise ganz abbrechen.
Nicht nur junge
Frauen stehen wegen ihrem westlichen Modegeschmack in der Schusslinie des
Regimes. Auch junge Männer, die ihre Augenbrauen zupfen oder sich nach der
westlichen Mode kleiden und stylen, werden gnadenlos angegriffen. Dabei spielt
ein junger Mullah, der sich „Wissenschaftler“ (Daneshmand) nennt, eine
große Rolle. In seiner Reden, die bewusst der „Stand Up Comedy“ ähneln, greift
er „Männer, die zu Hühnern geworden sind“ an und verteidigt „islamische“
Vorstellungen von Männlichkeit.
Zu all diesen
Belastungen kommen noch die ständig wachsende Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot
hinzu. Die Mehrheit der jungen Iraner sieht nur einen Ausweg aus diesem
Schlamassel: Flucht ins Ausland.
Politische
Freiheiten
Es scheint, die
Iraner würden heutzutage mehr politische Freiheiten genießen als früher. Es
scheint, viele hätten die Freiheit, sich kritisch zu äußern oder gar in der
Opposition aktiv zu werden. In Wirklichkeit können sogar die sogenannten
„Reformisten“ (wie Soroush oder Ganji) im Iran nicht überleben und müssen das
Land verlassen. Politische Aktivisten, die als eine Gefahr eingestuft werden,
sind immer noch der Verhaftung, Folter, Vergewaltigung und Hinrichtung
ausgesetzt. Oft werden auch ihre Familienangehörigen als „Geisel“ genommen.
Iran hat immer noch eine der höchsten Hinrichtungsraten in der Welt.
Ein Beispiel
dafür, wie brutal das Regime mit seinen Gegnern umgeht, ist die Niederschlagung
der Demonstrationen im Jahr 2009. Junge Menschen, die keinen
System-Sturz, sondern nur Reformen wollten, waren vor den Augen der
Weltöffentlichkeit niedergeschossen und in den Kerkern bis zu Tode gefoltert
und vergewaltigt worden.
Soziale Sicherheit
Auch die
„nicht-staatliche“ Kriminalitätsrate ist seit der Revolution ständig gewachsen.
Motorradfahrer überfallen am helllichten Tag Fußgänger, die eine Tasche mit
sich tragen und ziehen solange an der Tasche – während sie Gas geben – bis sie
kriegen, was sie wollen. Vor allem alte Personen fühlen sich auf der Straße
nicht mehr sicher.
Obwohl reiche
Personen und Familien ihr Eigentum und sich selbst theoretisch besser schützen
können, sind sie nicht weniger in Gefahr. Einerseits müssen sie hohe
Bestechungsgelder an die staatlich organisierten Mafia zahlen, andererseits
stehen sie in der Schusslinie der noch brutaleren „privaten“ Mafia.
Die
medizinische Versorgung des Landes ist katastrophal und große Teile der
Bevölkerung sind davon ausgeschlossen. Staatliche Krankenhäuser nehmen nur dann
Patienten auf, wenn sie bereits im Voraus zahlen. Nicht selten sterben
Patienten direkt vor dem Krankenhauseingang. Vor einem Jahr haben iranische
Webseiten Fotos von zwei Patienten veröffentlicht, die wegen starken
Verbrennungen ins Krankenhaus eingeliefert worden waren. Nach der Einlieferung
dieser zwei Personen, hatten die Familienangehörigen das Krankenhaus verlassen,
um Geld zu holen. Als sie nach ein paar Stunden nicht auftauchten, war ein
Krankenwagen mit den zwei Patienten einfach auf die Autobahn gefahren, um sie
dort loszuwerden. Das zuständige Personal dachte wohl, irgendein reicher Typ würde
diese Szene sehen und sich um die armen Kerle kümmern. Stattdessen hat ein
Autofahrer mit seinem Handy von der Aktion Fotos gemacht und sie im Internet
weiterverbreitet. Da er/sie auch Fotos von dem Nummernschild des Krankenwagens
geschossen hatte, hat man herausgefunden, um welches Krankenhaus es sich
handelte. Dass daraus kein großer Skandal entstand, zeigt, wie wirksam die
iranische Herrschaftsmaschinerie agiert.
Dies zeigt sich
auch bei einem anderen Phänomen, nämlich das Verweigern von Lohnauszahlungen an
Arbeitern. Schon seit Khatamis Zeiten wird einem Großteil der Arbeiter 6, 12,
18 Monate oder länger kein Lohn ausgezahlt. Wie und wovon diese Menschen in
einem Land leben, in dem „Sozialhilfe“ ein Fremdwort ist, kann ich mir schwer
vorstellen.
Außenpolitik
Es scheint,
während der Rafsanjani- und Khatami-Herrschaft hätten sich die politischen
Beziehungen Irans zu anderen Staaten, darunter den westlichen, gebessert. In
Wirklichkeit hat aber das iranische Regime auch zu jenen Zeiten ihre terroristischen
und destabilisierenden Aktivitäten in anderen Ländern fortgesetzt. Es scheint,
Khatami hätte versucht, die politischen Beziehungen zwischen dem Iran und dem
Westen zu normalisieren. In Wirklichkeit hat er sich aber als den
Hauptvertreter der islamischen Welt ausgegeben und mit seiner Forderung nach
einem „Dialog der Zivilisationen“ die Schreckensherrschaft des iranischen
Regimes als eine Errungenschaft der „iranisch-islamischen Zivilisation“
präsentiert.
Der Islam dient
dem Iran als eine Waffe, mit der er sich auf der Weltbühne Macht verschaffen
will. Kein Wunder, dass das iranische Regime sogar zu seinen muslimischen
Nachbarländern keine friedlichen Beziehungen ausbauen konnte und sie immer zu
destabilisieren versucht. Kommunisten und Sozialisten, die bekanntlich mit
Religion nichts am Hut haben, betrachtet aber das islamische Regime als
Verbündete und pflegt außerordentlich freundschaftliche Beziehungen zu den
Staaten, in den diese herrschen bzw. herrschten (China, Russland, Venezuela,
Nikaragua, Kuba, etc.).
Wahlen
Dass die Wahlen
im Iran nichts bewirken, müsste bis jetzt eigentlich jeder kapiert haben. Der
Gegenteil ist aber der Fall und der gleiche Zirkus geht immer energetischer und
vielversprechender weiter. Jedes Mal werden die Präsidentschaftswahlen der
iranischen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit als ein entscheidender Kampf
zwischen Reformbefürwortern und Hardlinern präsentiert. Auch mit der
darauffolgenden Enttäuschung weiß das Regime erfolgreich umzugehen und schafft
es jedes Mal, die Massen bis zu den nächsten Wahlen zu beruhigen.
Traurig, aber
wahr: Die Hoffnung stirbt nie, man selbst aber meistens zu früh!
September 2013
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