Sonntag, 19. Juli 2015

Was linksgerichtete Kräfte mit Islamisten verbindet



Spätestens seit der islamischen Revolution im Iran 1979 ist seitens linksgerichteter Kräfte eine Art Solidarität mit den Islamisten zu beobachten. Nicht nur im Iran haben linksgerichtete Bewegungen den Islamisten unter der Führung Khomeinis Willkommen geheißen, auch in westlichen Ländern waren viele „linksgerichtete“ Intellektuelle von der islamischen Revolution begeistert und von der Person des Ayatollah tief beeindruckt. Auch heute finden sich unter linksgerichteten Kräften und Personen nicht Wenige, die in Islamisten wie Ahmadinejad einen Freiheitskämpfer sehen oder wie die venezolanische und nicaraguanische Linke mit Islamisten kooperieren. Da linke Kräfte eine feindliche Einstellung gegenüber Religion haben und sich für Frauen- und Kinderrechte einsetzen, ist ihr Solidaritätsgefühl Islamisten gegenüber schwer nachvollziehbar, aber trotzdem nicht unerklärlich. Was linke Kräfte mit den Islamisten verbindet, ist ihre Feindseligkeit der Moderne und Liberalismus gegenüber, die stärker ist als die gegenseitige Feindseligkeit zwischen den linken und islamistischen Kräften.

Scheinbar haben linke Kräfte kein Problem mit der Moderne und propagieren ihn sogar. In Wirklichkeit können aber linke Ideologien den Geist der Moderne nicht akzeptieren und die Welt, die sie neuordnen wollen, hat nicht viel von der Moderne übrig. Wenn man die Moderne in nur einem Wort erklären müsste, dann würde das Wort „Individualismus“ heißen. Alle Errungenschaften der Moderne, von Rationalität bis zu „Menschenrechte“, beruhen auf eine Weltanschauung, die vom Individuum anfängt, um zur Gruppe zu gelangen: Rationalität ist nur dann möglich, wenn das Individuum das Recht hat, sich der herrschenden Denkweise zu widersetzen. Die Rechte aller Menschen können nur dann anerkannt werden, wenn die Rechte des Einzelnen akzeptiert werden.

Die linke Weltanschauung propagiert aber genau den umgekehrten Weg, will von der Gruppe zum Einzelnen gelangen und sieht den Individualismus als eine Gefahr. Diese Einstellung ist auch in den Werken von Marx und Engels, Väter des Kommunismus, zu erkennen. Die Vorbilder für eine gerechte Gesellschaft sollten nach Marx und Engels jene vorgeschichtlichen Gesellschaften sein, in denen Menschen in „Kommunen“ lebten, alles allen gehörte und von Individualität keine Spur war. Diese Einstellung hat zur Folge, dass Engels in seinem bekannten Buch „Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“ eine romantische Betrachtungsweise gegenüber „unzivilisierten“ Stammesgesellschaften zur Schau stellt. Diese Gesellschaften, in denen Frauen weniger als Rinder und Schafe gelten, werden von Engels mit mehr Sympathie beschrieben als „zivilisiertere“ wie das Römische Reich.

Auch Marx‘ und Engels‘ Feindseligkeit gegenüber Privateigentum beruht mehr auf ihre Angst vor Individualismus als auf ihre Liebe zur Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft, in der das Individuum im Mittelpunkt steht, könne ihrer Ansicht nach nur egoistisch, gewissenlos, brutal und ausbeuterisch sein. Nur eine Gesellschaft, die die Individualität verschwinden lässt, könne menschlich und gerecht sein – eine Gesellschaft, in der das Leben des Individuums direkt dem Wohlsein der Gruppe dient.

Genauso wie Islamisten Individualismus als eine Gefahr für die Menschheit betrachten, glauben linke Kräfte, Individualismus würde den Menschen auf das Materielle beschränken und Menschlichkeit und „Idealismus“ zu Verfall bringen. Der linke Hass dem Individualismus gegenüber ist viel stärker als ihre Liebe zu Menschlichkeit, Freiheit und Rationalität. Dieser Hass ist das Bindeglied zwischen Islamisten und linken Kräften.


Juni 2014
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