Spätestens seit
der islamischen Revolution im Iran 1979 ist seitens linksgerichteter Kräfte
eine Art Solidarität mit den Islamisten zu beobachten. Nicht nur im Iran haben
linksgerichtete Bewegungen den Islamisten unter der Führung Khomeinis
Willkommen geheißen, auch in westlichen Ländern waren viele „linksgerichtete“
Intellektuelle von der islamischen Revolution begeistert und von der Person des
Ayatollah tief beeindruckt. Auch heute finden sich unter linksgerichteten
Kräften und Personen nicht Wenige, die in Islamisten wie Ahmadinejad einen
Freiheitskämpfer sehen oder wie die venezolanische und nicaraguanische Linke
mit Islamisten kooperieren. Da linke Kräfte eine feindliche Einstellung
gegenüber Religion haben und sich für Frauen- und Kinderrechte einsetzen, ist
ihr Solidaritätsgefühl Islamisten gegenüber schwer nachvollziehbar, aber
trotzdem nicht unerklärlich. Was linke Kräfte mit den Islamisten verbindet, ist
ihre Feindseligkeit der Moderne und Liberalismus gegenüber, die stärker ist als
die gegenseitige Feindseligkeit zwischen den linken und islamistischen Kräften.
Scheinbar haben
linke Kräfte kein Problem mit der Moderne und propagieren ihn sogar. In
Wirklichkeit können aber linke Ideologien den Geist der Moderne nicht
akzeptieren und die Welt, die sie neuordnen wollen, hat nicht viel von der
Moderne übrig. Wenn man die Moderne in nur einem Wort erklären müsste, dann
würde das Wort „Individualismus“ heißen. Alle Errungenschaften der Moderne, von
Rationalität bis zu „Menschenrechte“, beruhen auf eine Weltanschauung, die vom
Individuum anfängt, um zur Gruppe zu gelangen: Rationalität ist nur dann
möglich, wenn das Individuum das Recht hat, sich der herrschenden Denkweise zu
widersetzen. Die Rechte aller Menschen können nur dann anerkannt werden, wenn
die Rechte des Einzelnen akzeptiert werden.
Die linke
Weltanschauung propagiert aber genau den umgekehrten Weg, will von der Gruppe
zum Einzelnen gelangen und sieht den Individualismus als eine Gefahr. Diese
Einstellung ist auch in den Werken von Marx und Engels, Väter des Kommunismus,
zu erkennen. Die Vorbilder für eine gerechte Gesellschaft sollten nach Marx und
Engels jene vorgeschichtlichen Gesellschaften sein, in denen Menschen in
„Kommunen“ lebten, alles allen gehörte und von Individualität keine Spur war.
Diese Einstellung hat zur Folge, dass Engels in seinem bekannten Buch „Ursprung
der Familie, des Privateigentums und des Staats“ eine romantische
Betrachtungsweise gegenüber „unzivilisierten“ Stammesgesellschaften zur Schau
stellt. Diese Gesellschaften, in denen Frauen weniger als Rinder und Schafe
gelten, werden von Engels mit mehr Sympathie beschrieben als „zivilisiertere“
wie das Römische Reich.
Auch Marx‘ und
Engels‘ Feindseligkeit gegenüber Privateigentum beruht mehr auf ihre Angst vor
Individualismus als auf ihre Liebe zur Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft, in der
das Individuum im Mittelpunkt steht, könne ihrer Ansicht nach nur egoistisch,
gewissenlos, brutal und ausbeuterisch sein. Nur eine Gesellschaft, die die
Individualität verschwinden lässt, könne menschlich und gerecht sein – eine
Gesellschaft, in der das Leben des Individuums direkt dem Wohlsein der Gruppe
dient.
Genauso wie
Islamisten Individualismus als eine Gefahr für die Menschheit betrachten,
glauben linke Kräfte, Individualismus würde den Menschen auf das Materielle
beschränken und Menschlichkeit und „Idealismus“ zu Verfall bringen. Der linke
Hass dem Individualismus gegenüber ist viel stärker als ihre Liebe zu
Menschlichkeit, Freiheit und Rationalität. Dieser Hass ist das Bindeglied zwischen
Islamisten und linken Kräften.
Juni 2014
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