Steven Pinker
zeichnet in seinem Buch „The better angels of our nature. Why violence has
declined“ ein Bild vom Mann und Frau, dass den Vorstellungen vieler Menschen
leider entspricht: der Mann als wildes Tier, und die Frau als friedliche und
„menschliche“ Kraft, die die Zivilisation vorantreibt.
Immer wenn
Männer, besonders jüngere, allein unter sich lebten (wie z.B. im Wilden
Westen), würden sich Mord, Vergewaltigung und andere Verbrechen verbreiten.
Frauen zivilisierten Männer durch Heirat und Kinderkriegen, in dem sie die dazu
gezwungen hätten, sich für das Familienleben zu entscheiden, statt ein Leben
wie ein wildes Tier zu führen, so Pinker im dritten Kapitel seines Buchs. Dass
dieses Bild vorne und hinten nicht stimmt, beweisen zwei Beispiele:
1) Pinker
selbst erklärt in seinem Buch, dass Gewalt und Kriminalität in Europa der
früheren Epochen (z.B. im Mittelalter) unter verheirateten Männern viel weiter
verbreitet waren als heute unter den unverheirateten.
2) Wenn Frauen
wirklich einen zivilisierenden Einfluss auf Männer (und die Gesellschaft)
ausüben würden, dann müssten Männer, die vier Frauen, zwanzig Kinder und
fünfzig Enkelkinder haben, weit zivilisierter und friedlicher sein als der
westliche Mann (und Männer, die nach dem westlichen Vorbild leben).
Bei dem
Versuch, eine Erklärung dafür zu finden, wieso Gewalt und Kriminalität in den
1960-er zugenommen hatten, kommt Pinker auf die erwähnte These zurück. Seiner
Ansicht nach hat die Zunahme der Gewalt in den 1960-er damit zu tun, dass viele
Männer die „Vorteile“ der sexuellen Revolution ausgenutzt hätten und nicht
bereit gewesen wären, ihre geschwängerten Sex-Partnerinnen zu heiraten und ein
Familienleben zu führen. Dabei bezieht er sich vor allem auf die unteren
Schichten der Gesellschaft, besonders die afro-amerikanische Gemeinschaft in
den USA.
Um seine These
hierbei zu bestätigen, bräuchte man Statistiken über die Verbreitung von Gewalt
unter unverheirateten und verheirateten Männern unter Betrachtung von
Schichtzugehörigkeit und „ethnischer“ Herkunft. Erst durch das Vergleichen
dieser Statistiken und das Ausschließen von anderen Faktoren, könnte man
Pinkers These prüfen. Leider präsentiert Pinker, der gerne in seinem Buch
Statistiken vorführt, hierzu keine Zahlen.
Aber auch wenn
seine These in Bezug auf die westlichen Gesellschaften in den 1960-er zutreffen
würde, könnte man daraus nicht schlussfolgern, dass Frauen von Natur aus
friedlicher und zivilisierter sind als Männer. Pinkers biologistische
Sichtweise hindert ihn daran, zu erkennen, dass kulturelle Vorstellungen von
Ehe, Sex, Vater-Sein, etc. und die dazugehörigen gesellschaftlichen Normen das
Verhalten von Männern (und anderen Menschen) in einer Gesellschaft bestimmen.
Es sind nicht Frauen, die eine Gesellschaft zivilisieren, sondern jene
kulturelle Normen und Vorstellungen, die eine Weiterentwicklung der
Gesellschaft fördern. Die Entstehung und Weiterentwicklung kultureller Normen
kann man kaum mit der Genetik in Verbindung bringen – abgesehen von der
Tatsache, dass der Mensch denken kann.
November 2013
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