Da der
Feminismus selbst viel zum Verblassen der Weiblichkeit (und Männlichkeit)
beigetragen hat, klingt es vielleicht komisch, zu behaupten, Feminismus habe
Angst vor dem Verfall der Weiblichkeit. Feministen waren die Ersten, die die
Erkenntnis öffentlich kundtaten, man werde nicht als Frau oder Mann geboren,
sondern zu Frau oder Mann erzogen. Die ganze Gender-Theorie, die die
Natürlichkeit von Geschlechterrollen in Frage stellt, ist eine Errungenschaft
des Feminismus.
Bevor ich zu
meiner „komischen“ Behauptung komme, werde ich zuerst einige „Fachbegriffe“
kurz erläutern. Die Gender-Theorie unterscheidet zwischen dem biologischen
Geschlecht (engl. sex) und der Geschlechtsidentität „Gender“, wobei das Wort
aus dem Englischen übernommen worden ist. Während das biologische Geschlecht
nur die körperlichen Merkmale eines Geschlechts beschreibt, beschreibt Gender
jene Eigenschaften, die unter den Begriffen „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ dem
jeweiligen Geschlecht zugeordnet werden. Der Gender-Theorie zufolge sind
„Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ keine naturgegebene Phänomene, sondern
soziale Produkte. Deswegen existierten in verschiedenen Gesellschaften und zu
verschiedenen Zeiten verschiedene Vorstellungen von Weiblichkeit und
Männlichkeit. Diese Vorstellungen sind es, die unser Denken, unsere Gefühle und
unser Verhalten als Frau oder Mann bestimmen oder beeinflussen. Dies wird in
dem oft zitierten Satz von Simone de Beauvoir „man wird nicht als Frau geboren,
man wird es“ kurz und präzise ausgedruckt.
Es wird oft
behauptet, Männer würden unter dem Verblassen traditioneller Geschlechterrollen
leiden und Frauen würden davon profitieren. In Wirklichkeit ist das
Verschwinden der alten Geschlechterordnung für beide Geschlechter mit Vor- und
Nachteilen verbunden. Auch Frauen „leiden“ unter dem Verlust ihrer
traditionellen Rollen und „Weiblichkeit“. Und da der Feminismus sich fast
ausschließlich für die „Rechte“ der Frau einsetzt, wird der Verlust der
Weiblichkeit von ihm als eine Bedrohung empfunden: In der heutigen
Gesellschaft, die auf Individualismus und individuelle Freiheiten basiert,
können sich Männer in vielen Bereichen leichter bewegen. Da sie auch vorher
mehr individuelle Rechte besaßen, profitieren sie heute mehr von der
Individualismus. Alte Vorstellungen von Männlichkeit sind mehr im Einklang mit
dem Individualismus als alte Vorstellungen von der Weiblichkeit, die die
Rolle der Frau in Hingabe und Fürsorge für Andere (als Tochter, Ehefrau,
Mutter, Großmutter) beschränkten und ihren persönlichen Interessen keinen Raum
ließen. Sehr deutlich wird dies an dem Fall sexueller Freiheiten, wovon Männer
heute mehr profitieren als Frauen, da auch unter der alten Geschlechterordnung
Männer viel mehr sexuelle Freiheiten besaßen als Frauen. Auch an dem Fall
individueller Unabhängigkeit kann man deutlich beobachten, dass Frauen es
schwerer haben, ein unabhängiges Leben zu führen als Männer. Von Männern hat
man auch früher verlangt, sich auf die eigenen Beine zu stellen und für sich
selbst und ihrer Familie zu sorgen.
Frauen haben
heute viele Rechte und Lebensperspektiven, von denen sie nicht richtig Gebrauch
machen können, da sie sich von ihren traditionellen Rollen nicht gänzlich
verabschiedet haben. Trotzdem profitieren auch sie von der neuen
Gesellschaftsordnung enorm und ihre Lage hat sich überaus verbessert.
Feminismus hatte einst eine befreiende Wirkung auf die Frau, aber spätestens
seit den 1970-ern beharrt er immer mehr auf Weiblichkeit und ist nicht bereit,
mit der Zeit zu gehen und das „Weibliche“ mit dem „Menschlichen“ zu tauschen.
Für die meisten Feministen ist die Weiblichkeit mit nur einigen negativen und
vielen positiven Eigenschaften verbunden. Liebe, Fürsorglichkeit, Bescheidenheit
und andere positive Eigenschaften sind Feministen zufolge alle „weiblich“. Aber
wenn Feministen von Männlichkeit sprechen, wird alles, was „männlich“ ist, als
negativ und destruktiv abgetan.
Der Feminismus
befindet sich in einem Konflikt mit sich selbst. Auf der einen Seite stellt er
traditionelle Geschlechterrollen in Frage, auf der anderen Seite vergöttlicht
er die Weiblichkeit. Einerseits fordert er die Gleichberechtigung zwischen den
Geschlechtern, andererseits bevorzugt er Frauen bei der Verteilung von Rechten.
Ein gutes Beispiel dafür wäre das Sorgerecht für Kinder, wobei Feministen dies
als das alleinige Recht der Mutter sahen (und sehen). Obwohl Feministen die
traditionellen Mutter- und Vaterrollen kritisieren, obwohl sie wollen, dass
Männer sich an der Kindererziehung und psychische Fürsorge für Kinder
beteiligen, obwohl sie fordern, dass Frauen sich von ihrer traditionellen
Mutterrolle verabschieden, können sie in Wirklichkeit ihre eigenen Forderungen
nicht akzeptieren. Sie sind nicht bereit, die traditionelle Mutterrolle
aufzugeben und ihre erkämpften “Rechte” mit Männern zu teilen.
Am Beispiel des
Sorgerechts wird auch klar, dass Feministen die Unterscheidung zwischen dem
biologischen Geschlecht und Gender selber nicht wahrhaben. Wenn man, um Kinder
erziehen zu dürfen, „weibliche“ Eigenschaften haben müsste, dann gibt es genug
Männer, die liebevoll und fürsorglich sind und genug Frauen, die sich einen
Dreck um ihre Kinder kümmern. Das Sorgerecht allein den Frauen zuzuschreiben,
bedeutet, dass man „weibliche“ Eigenschaften dem biologischen Geschlecht der
Frau zuordnet und glaubt, ein Mann könne nie Kinder so gut versorgen wie eine
Frau.
Die
Selbstkonflikte des Feminismus haben dazu geführt, dass er in Europa als eine
gesellschaftliche Massenbewegung untergegangen ist. Wenn heute in vielen
europäischen Ländern die staatlichen Zuschüsse für feministische Organisationen
gestrichen werden, darf man daraus nicht schlussfolgern, dass der Staat sich
nicht mehr für Frauenrechte interessiert. Dieser Zustand basiert allein auf der
Tatsache, dass im Europa der aktivistische Feminismus nichts mehr zu bieten
hat. Eine Bewegung, die sich im Europa des 21. Jahrhunderts über die
Wiedereinführung der Geschlechtertrennung in Schulen Gedanken macht, kann
gewiss nicht mit der breiten Unterstützung der Gesellschaft, besonders die der
jüngeren Generationen, rechnen.
Juni 2014
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